Beta-Zellen aus der Speckrolle

Forschende der ETH Z¨¹rich haben es geschafft, Stammzellen aus Fettgewebe mit einem k¨¹nstlichen genetischen Programm so zu steuern, dass aus ihnen Zellen werden, die nat¨¹rlichen Beta-Zellen sehr nahe kommen. Ein wichtiger Schritt hin zum pers?nlichen Reparaturset bei Diabetes.

Vergr?sserte Ansicht: Bild: colourbox.com
Aus der Speckrolle an den H¨¹ften lassen sich Stammzellen gewinnen, die ETH-Forscher mit einer neuen genetischen Software in Beta-Zellen umwandelten. (Bild: colourbox.com)

Martin Fussenegger, Professor f¨¹r Biotechnologie und Bioingenieurwissenschaften, hat mit seiner Forschungsgruppe am Departement f¨¹r Biosysteme der ETH Z¨¹rich in Basel ein Kunstst¨¹ck geschafft, das viele Fachleute bislang f¨¹r unm?glich gehalten haben: Sie haben aus dem Fettgewebe einer 50-j?hrigen Testperson Stammzellen gewonnen und diese mithilfe einer genetischen Umprogrammierung dazu gebracht, in funktionsf?hige Beta-Zellen auszureifen.

Die mit dieser ?genetischen Software? erzeugten Beta-Zellen produzieren in Anwesenheit von Glucose das Hormon Insulin, genauso wie nat¨¹rliche, die in der Bauchspeicheldr¨¹se vorkommen. Dies berichten die Forschenden im Fachjournal ?Nature Communications?.

Reifungsdynamik nachgestellt

Die Basler Biotechnologen f¨¹gten in die Stammzellen ein k¨¹nstliches und hochkomplexes Gennetzwerk ¨C die genetische Software ¨C ein. Diese legten sie so aus, dass sie die wichtigsten der in diesen Reifungsvorgang involvierten Wachstumsfaktoren zeitlich und mengenm?ssig genau rekonstruiert.

Zentral sind die Wachstumsfaktoren Ngn3, Pdx1 und MafA, deren Konzentrationen w?hrend des Differenzierungsprozesses unterschiedlich hoch sind. So fehlt MafA zu Beginn der Reifung. Erst ab dem vierten Tag, w?hrend des letzten Reifungsschrittes, steigt die Konzentration dieses Faktors steil an und bleibt auf hohem Niveau konstant. Anders die Konzentrationen von Pdx1 und Ngn3: Letzterer erreicht den h?chsten Pegelstand an Tag vier. Danach sinkt er ab. Pdx1 hingegen steigt zweimal stark an: Zu Beginn und zum Schluss der Reifung. Dazwischen sinkt der Pdx1-Pegelstand.

Vergr?sserte Ansicht: Reifung von Stammzellen in Beta-ähnliche Zellen
Die Reifung von induzierten pluripotenten Stammzellen in Beta-?hnliche Zellen h?ngt wesentlich vom Verlauf der drei Wachstumsfaktoren Pdx1, MafA und Ngn3 ab. (Grafik: ETH Z¨¹rich)

Fussenegger betont, dass eine m?glichst naturnahe Nachbildung dieser Verl?ufe unerl?sslich sei, um aus Fettzellen funktionierende Beta-Zellen zu machen. ?Das Timing und die richtige Menge dieser Wachstumsfaktoren sind extrem wichtig.?

Neue Beta-Zellen sprechen auf Glucose an

Der ETH-Professor wertet es als Durchbruch, dass das Umprogrammieren mithilfe eines k¨¹nstlichen Gennetzwerkes gelungen ist. Bisher steuerten Wissenschaftler Stammzelldifferenzierungen ¨¹ber die Zugabe von verschiedenen Chemikalien und Eiweissen per Pipette. ?Die richtige Menge dieser Komponenten im richtigen Moment von Hand beizugeben, ist sehr schwierig, ineffizient und unm?glich grosstechnisch umzusetzen?, sagt Fussenegger. Mit dem neuen Verfahren gelingt es, drei von vier Fett-Stammzellen in Beta-Zellen umzuwandeln.

Die k¨¹nstlichen Beta-Zellen sind ihren nat¨¹rlichen Vorbildern nicht nur optisch sehr ?hnlich ¨C beide weisen in der Zelle dunkle K?rnchen auf, welche das Insulin speichern. Sie funktionieren auch ?hnlich wie nat¨¹rliche Beta-Zellen. ?Noch sind die Insulin-Mengen nicht so hoch wie die von nat¨¹rlichen Beta-Zellen?, r?umt Fussenegger ein. Entscheidend sei aber, dass es zum ersten Mal gelungen sei, die ganze Prozesskette von der Stammzelle zur ausdifferenzierten Beta-Zelle gem?ss dem nat¨¹rlichen Vorbild nachzustellen.

Implantat aus k?rpereigenen Zellen

Die Technik der Basler ETH-Forschenden k?nnte es k¨¹nftig erlauben, f¨¹r Diabetes-Patienten aus ihrem eigenen Fettgewebe neue Beta-Zellen herzustellen und diese zu implantieren. Transplantationen von Beta-Zellen wurden zwar schon vorgenommen, aber wie bei allen Verpflanzungen von fremden Organen oder Teilen davon muss danach das Immunsystem des Empf?ngers unterdr¨¹ckt werden. ?Eine solche Massnahme w?re bei unseren Beta-Zellen wohl kaum n?tig, da wir sie ja aus k?rpereigenem Zellmaterial des Patienten gewinnen. Deshalb ist unsere Arbeit f¨¹r die Diabetes-Behandlung so interessant?, sagt der ETH-Professor.

Vollst?ndige Ausreifung in der Kulturschale

Bislang haben die ETH-Forscher ihre Beta-Zellen erst in Kulturen gez¨¹chtet und noch nicht in einen Diabetes-Patienten eingesetzt. Sie wollten erst herausfinden, ob das synthetische Gen-Programm Stammzellen tats?chlich vom Anfang bis zum Ende ausdifferenzieren l?sst. Fussenegger ist ¨¹berzeugt, dass sie mit der neuen Methode auch andere Zelltypen aus Stammzellen des K?rperfetts erzeugen k?nnen. ?Und die meisten Menschen haben ¨¹bersch¨¹ssiges Fett, aus dem sich die Vorl?uferzellen gewinnen lassen.?

Vergr?sserte Ansicht: aus Saxena et al., 2016, Nature Comm.
Vergleich von nat¨¹rlichen (links) und k¨¹nstlichen Beta-Zellen. (Bilder: aus Saxena et al., Nature Comm., 2016)

Literaturhinweis

Saxena P, Heng BC, Bai P, Folcher M, Zulewski H, Fussenegger, M. A programmable synthetic lineage-control network that differentiates human IPSCs into glucose-sensitive insulin-secreting beta-like cells. Nature Communications, published online April 11th 2016. DOI: externe Seite10.1038/NCOMMS11247

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